Betriebsprüfung: Wenn Bares nicht mehr Wahres ist

Gastbeitrag von John Paul Fürus in der Zeitschrift sportFACHHANDEL Ausgabe 10/2018

Eine fehlerhafte Kassenführung kann im Extremfall dazu führen, dass das Finanzamt Ihre Steuerschuld schätzt und Sie unter Umständen erheblich Steuern nachzahlen müssen. Aber auch für den Fall einer Betriebsprüfung gibt es noch Möglichkeiten, den Fiskus zu besänftigen.

Schon seit Ende 2016 gilt für sämtliche Buchungen und Aufzeichnungen eine Einzelaufzeichnungspflicht. Demnach sind alle täglichen Kasseneinnahmen und -ausgaben festzuhalten, soweit nicht die Ausnahmeregelung für den bargeldintensiven Handel greift und ausschließlich eine offene Ladenkasse genutzt wird. Elektronische Registrierkassen ohne die Aufzeichnung aller Einzel-Geschäftsvorfälle werden von der Finanzverwaltung seit 2017 nicht mehr akzeptiert.

Seit dem 1. Januar 2018 kann zur Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Aufzeichnungen und Buchungen sowie des Einsatzes einer zertifizierten Kasse eine sogenannte „Kassen-Nachschau“ durchgeführt werden. Die Kassen-Nachschau ist der Umsatzsteuer- bzw. der Lohnsteuernachschau angelehnt. Sie soll zur zeitnahen Aufklärung steuererheblicher Sachverhalte u.a. im Zusammenhang mit der Erfassung von Geschäftsvorfällen mit elektronischen Kassensystemen aber auch bei der offenen Ladenkasse beitragen. Sie findet in der Regel ohne Ankündigung statt. Für die elektronischen Kassensysteme besteht dann u.a. eine Vorlagepflicht der Unterlagen zum verwendeten Kassensystem; es kann der Datenexport verlangt werden. Auch für offene Ladenkassen gilt, dass bei der Kassen-Nachschau die „Sturzfähigkeit“ der Kasse verlangt werden kann.

Ab 2020 sind digitale Aufzeichnungssysteme und die digitalen Grundaufzeichnungen einheitlich vor Manipulationen zu schützen. Auch Sportfachgeschäfte, die ab 2020 eine elektronische Kasse nutzen, dürfen nur noch eine zertifizierte elektronische Registrierkasse bzw. computergestützte Kassensysteme verwenden, d.h. die Kasse muss über eine vom Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik (BSI) zertifizierte Sicherheitseinrichtung verfügen. Diese setzt sich aus einem Sicherheitsmodul, einem Speichermedium und einer einheitlichen Schnittstelle für den Datenexport zusammen. Ferner besteht ab 2020 eine grundsätzliche Belegausgabepflicht, d.h. für Geschäftsvorfälle, die mit Hilfe eines elektronischen Auszeichnungssystems erfasst werden, muss ein Beleg ausgegeben werden. Außerdem muss ab 2020 innerhalb eines Monats nach Anschaffung oder Außerinbetriebnahme der elektronischen Registrierkasse dieser Vorgang gegenüber dem Finanzamt formal mitgeteilt werden.

Entsprechend der neuen steuerlichen Pflichten wurde ab 2020 auch der Katalog der Ordnungswidrigkeiten angepasst und erweitert. Wer als Steuerpflichtiger ab 2020 ein unzertifiziertes Kassensystem benutzt oder es nicht schützt, muss danach mit einer Geldbuße von bis zu 25.000 Euro rechnen. Bei schädlicher Verwendung und entstandener Steuerverkürzung liegen darüber hinaus bei vorsätzlichem Handeln der Tatbestand der Steuerhinterziehung bzw. bei grob fahrlässigem Handeln, der leichtfertigen Steuerverkürzung vor.

Die Auseinandersetzungen mit der Finanzverwaltung im Rahmen der Betriebsprüfungen im Zusammenhang mit Fehlern bei der Kassenführung werden vermutlich erst in den Veranlagungsjahren ab 2020 abnehmen, dann also, wenn die Fiskalkasse gesetzlich vorgeschrieben ist. Bis dahin bleiben viele generelle aber auch tatsächliche Fragen zur ordnungsgemäßen Kassenführung in der Betriebsprüfung streitbehaftet. Das Finanzamt ist in der Regel nur bei einer formell und/oder materiell nicht ordnungsgemäßen Buchführung zur Schätzung berechtigt. Und es darf auch nur bei einer Verletzung der Mitwirkungspflichten, die dazu führen, dass die tatsächlichen Einnahmen oder Ausgaben nicht vollständig ermittelt werden können, einen sogenannten Sicherheitszuschlag addieren. Aber allein schon dieser Zuschlag beträgt in der Praxis unter Umständen bis zu 20 Prozent des aufgrund der Richtsatzsammlung ermittelten Gewinns. Und die absolute Grenze einer Schätzung ist gar erst in Höhe des wirtschaftlich vernünftigen und möglichen Ergebnisses erreicht!

Eine ordnungsgemäße (Kassen-)Buchführung begründet grundsätzlich die Vermutung ihrer Richtigkeit, sodass sie der steuerlichen Bewertung zugrunde zu legen ist. Diese Vermutung kann im Rahmen der Betriebsprüfung von der Finanzverwaltung widerlegt werden. Die Anforderungen daran sind dann, wenn die Kasse ordnungsgemäß geführt wird, relativ hoch gesetzt, sodass in der Praxis das Hauptaugenmerk der Betriebsprüfung auf die wesentlichen formellen Fehler, insbesondere bei der Kasse, gelegt wird.

Aktuell dreht sich die steuerliche Diskussion zum Thema Kassenführung um den Begriff der Kassenmanipulation. Hierzu stehen zwei Probleme im Fokus: Wie ordnungsgemäß wurde die Kasse geführt, wenn sich herausstellt, dass die Kasse manipuliert worden ist bzw. manipuliert worden sein könnte. Und zweitens: Können so genannte Programmierprotokolle vorgelegt werden oder nicht? Das Fehlen dieser Unterlagen stellt bei Registrierkassen einfacher Bauart regelmäßig einen formellen Mangel dar, durch den die Richtigkeit der (Kassen-)Buchhaltung von der Finanzverwaltung widerlegt und der Schätzrahmen dem Grunde nach eröffnet ist. Gleiches gilt natürlich, wenn die Kasse tatsächlich manipuliert worden ist.

Neben strafrechtlichen Erwägungen stehen der Finanzverwaltung dann verschiedene Schätzmethoden zur Verfügung. So können die Richtsatzsammlungen als äußerer Betriebsvergleich ebenso angewendet werden, wie der Zeitreihenvergleich oder die Nachkalkulation als interner Betriebsvergleich. Die Wahl der Schätzmethoden kann durch den Unternehmer allerdings auch im Rahmen der Betriebsprüfung noch wesentlich mit beeinflusst werden, da bei der Schätzung vom Finanzamt alle Umstände zu berücksichtigen sind, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Zu berücksichtigen sind nämlich auch Umstände, die sich aus weiteren Informationen des Steuerpflichtigen ergeben. Diese Einflussmöglichkeit kann sogar dazu führen, dass die Schätzbefugnis des Finanzamts gänzlich entfällt. Dies ist der Fall, wenn die durch die Buchhaltungsfehler verursachten Unklarheiten und Zweifel mit den weiteren Informationen vollständig beseitigt werden konnten.

Auch in steuerstrafrechtlichen Verfahren ist eine Schätzung zur Höhe der hinterzogenen Steuern zulässig, soweit diese Beträge nicht auf andere Weise ermittelt oder berechnet werden können. Hingegen kann allein aufgrund von formellen Kassenfehlern nicht unmittelbar auf die Steuerverkürzung geschlossen werden. Die Steuerverkürzung an sich muss wegen der Unschuldsvermutung bewiesen sein. Bezüglich der Höhe der Steuerverkürzung muss hier ein Unsicherheitsabschlag vorgenommen werden.

Allein in Hessen beträgt nach dem Jahresbericht der OFD Frankfurt das Mehrergebnis dort für 2017 17 Mrd. Euro. Nicht anzunehmen ist, dass dieses Mehrergebnis allein auf den Hinzuschätzungen aus nicht ordnungsgemäßen Kassenführungen herrührt. Doch ist sicher, dass eine gewisse Beharrlichkeit des Unternehmers und des Beraters im Rahmen der Betriebsprüfung dazu führen kann, dass die zunächst von den Betriebsprüfern kalkulierten Mehrsteuern sich auf ein Maß reduzieren, welches den tatsächlich realistischen Umfängen angenähert ist.