Bundesverfassungsgericht zum BKA-Gesetz: Sicherheit für den Rechtsstaat

Die Entscheidung des BVerfG zum BKA-Gesetz gibt weder dem Freiheits- noch dem Sicherheitsgedanken den Vorzug, fordert aber die Begrenzung staatlicher Befugnisse. Die Maßstäbe werden die Rechtsprechung langfristig prägen, meint Eren Basar.

Gastbeitrag von Dr. Eren Basar auf Legal Tribune online

Das Bundesverfassungsgericht hat das BKA-Gesetz zum Teil für verfassungswidrig erklärt. Damit folgt das Gericht einer Linie, die es in mehreren Entscheidungen zu gesetzgeberischen Maßnahmen im Bereich Terrorismusbekämpfung zum Ausdruck gebracht hat. Die Gefahren des Terrorismus rechtfertigen weitreichende Eingriffsbefugnisse und Aufklärungsmittel nur dann, wenn diese mit rechtsstaatlichen Absicherungen versehen werden. Die Entscheidung unterstreicht damit eine vom Gericht wiederholt formulierte Grundhaltung: In der Auseinandersetzung mit den Gefahren des Terrorismus muss es ein rechtliches Programm zur Begrenzung von staatlichen Befugnissen geben. 

Mit der Neufassung des Bundeskriminalamtgesetzes im Jahr 2009 erhielt das Bundeskriminalamt (BKA) erstmals präventive Eingriffsbefugnisse zur Terrorabwehr. Im Unterabschnitt 3a sieht das Gesetz seitdem in den §§ 20a bis 20x eine Vielzahl von Befugnissen vor, die im Rahmen der Gefahrabwehr und Straftatverhütung Eingriffe in die Grundrechte der Bürger vorsehen. Zur Erfüllung seiner Aufgaben im Rahmen der Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus wurde dem BKA unter anderem die Befugnis zur heimlichen Wohnraumüberwachung, Online-Durchsuchung, Telekommunikationsüberwachung, Telekommunikationsverkehrsdatenerhebung und Überwachung außerhalb von Wohnungen mit besonderen Mitteln der Datenerhebung eingeräumt.

Schutz durch den Staat oder vor dem Staat?

Das BKA-Gesetz aus dem Jahr 2009 gehört zu den vielen Maßnahmen, die der Gesetzgeber seit 2001 als Teil der Anti-Terror-Gesetzgebung umgesetzt hat. Bekanntlich sind nahezu alle davon umstritten, wobei die einen sie als effektiven Schutz durch den Staat empfinden, die anderen an den Schutz der Freiheit vor dem Staat erinnern. Entschieden wurden der Streit schon in der Vergangenheit – etwa beim Urteil zur Vorratsdatenspeicherung – und nun erneut durch das Bundesverfassungsgericht.

Das Bundesverfassungsgericht hat – wie schon in früheren Entscheidungen– in seinem Leitsatz hervorgehoben, dass die Ermächtigung des BKAs zum Einsatz von heimlichen Überwachungsmaßnahmen im Grundsatz mit den Grundrechten vereinbar ist. Das Gesetz diene einem legitimen Zweck und sei auch erforderlich, um den Gefahren des internationalen Terrorismus entgegenzutreten. Allerdings genüge die „derzeitige Ausgestaltung“ in „verschiedener“ Hinsicht nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Ausgestaltung der Befugnisse, zumal wenn sie in tief in das Privatleben eingreifen, müssen auf gewichtige Rechtsgüter begrenzt sein. Erforderlich sei auch immer, dass eine Gefährdung konkret absehbar ist.

Mandatsgeheimnis, Wohnraumüberwachung

Durchgängig kritisiert das Gericht, dass den Befugnissen flankierende Regelungen fehlen, ohne die die Verhältnismäßigkeit der Ermittlungs- und Überwachungsbefugnisse nicht gewahrt sei. Dies betrifft zum einen den Schutz der Berufsgeheimnisträger, wobei das BKAG hinsichtlich des Schutzniveaus zwischen Strafverteidigern und Rechtsanwälten unterscheidet. Dies hält das Gericht für ungeeignet. Die Regelungen zur Gewährleistung von Transparenz, Rechtsschutz und aufsichtsrechtlichen Kontrolle entsprächen nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Genannt werden fehlende bzw. unzureichende turnusmäßige Kontrollen, Protokollierungspflichten für Überwachungsmaßnahmen und Berichtspflichten gegenüber Parlament und Öffentlichkeit. Verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen auch die Löschungspflichten aus Sicht des Gerichts nur teilweise.

Die Wohnraumüberwachung gemäß § 20h BKAG ist hinsichtlich Kontakt- und Begleitpersonen (§ 20h Abs. 1 Nr. 1c BKAG) mit Art. 13 Abs. 1, 4 Grundgesetz nicht vereinbar, sofern diese direkt und nicht nur mittelbar überwacht werden. Als unzureichend sieht das Gesetz hier auch den Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung an. Für den Zugriff auf informationstechnische Systeme (§ 20k BKAG) fehlt es ebenfalls an einer hinreichenden Regelung.

Zweckänderung nur unter engen Voraussetzungen

Von besonderem Gewicht sind die Ausführungen des Gerichts zu den Anforderungen der weiteren Verwendung der vom BKA erhobenen Daten durch dieses selbst (§ 20v Abs. 4 S. 2 BKAG) als auch die Übermittlung an andere inländische Behörden (§ 20v Abs. 5 BKAG). Beide Regelungen erklärt es für verfassungswidrig. Schon im Leitsatz wird erklärt, dass die zulässige Reichweite von Nutzungen im Rahmen des ursprünglichen Zwecks nur seitens derselben Behörde im Rahmen derselben Aufgabe und zum Schutz derselben Rechtsgüter in Betracht kommt, wobei für weitere Nutzung der Daten aus der Wohnraumüberwachung und der Onlinedurchsuchung die maßgeblichen Anforderungen zur Gefahrenlage erfüllt sein müssen.

Bei einer Zweckänderung soll „jedenfalls“ Voraussetzung sein, dass die neue Nutzung der Daten dem Schutz von Rechtsgütern oder der Aufdeckung von Straftaten eines solchen Gewichts dient, die verfassungsrechtlich eine Neuerhebung rechtfertigen könnten (sog. hypothetische Datenneuerhebung). Wichtig ist, dass auch bei einer Zweckänderung ein eigener und hinreichend spezifischer Anlass erforderlich ist. Die Voraussetzungen sind insgesamt sehr detailliert und werden die Rechtsprechung und Literatur in den nächsten Monaten sicherlich intensiv beschäftigen.

Datenübermittlung an andere Behörden

Das Gericht erklärt zudem die Übermittlung von Daten an andere inländische Behörden (§ 20v Abs. 5 BKAG) für verfassungswidrig. Die Regelung genüge zwar verfassungsrechtlichen Anforderungen, doch sei sie deswegen unverhältnismäßig, weil sie die Datenübermittlung allgemein schon zur Verhütung bestimmter (terroristischer) Straftaten erlaube. Diese seien zwar besonders schwerwiegende Taten, doch fehlt es an einer eingrenzenden Konkretisierung des Übermittlungsanlasses. So könnten Informationen, auch wenn sie aus eingriffsintensiven Maßnahmen stammten, als Spurenansatz übermittelt werden. Bei eingriffsintensiven Maßnahmen käme eine Übermittlung aber nur in Betracht, wenn sich ein konkreter Ermittlungsansatz für die Aufdeckung von Straftaten ergebe.

Die Befugnisse des BKA zur Datenübermittlung an Verfassungsschutzämter, den Militärischen Abschirmdienst und den Bundesnachrichtendienst seien zudem „unverhältnismäßig weit“. Bezüglich der Übermittlungen an ausländische Behörden mahnt das Gericht an, dass die inländischen Regeln zur Datenerhebung durch einen Austausch zwischen Sicherheitsbehörden in der Substanz nicht unterlaufen werden dürfte. Geboten sei deswegen ein angemessenes materiell-rechtliches Datenschutzniveau im Empfängerstaat. Dieses liegt nicht vor, wenn im Empfängerstaat elementare rechtsstaatliche Grundsätze verletzt würden.

Die Entscheidung wird niemanden vollends zufrieden stellen. Die zwei Sondervoten belegen, dass es schon im Senat kein einheitliches Bild gab. Der erste Blick in die Urteilsgründe zeugt aber davon, dass das Gericht das Gesetz mit allen dort geregelten Befugnissen im Grundsatz offen gegenübersteht. Zugleich werden die Schutzvorkehrungen für den Grundrechtsschutz spezifiziert. Beides ist gut für den Rechtstaat.

Dieser Beitrag ist am 21. April in gekürzter Fassung auf lto.de erschienen.