Immer auf die Problemzonen achten

Ein Praxisüberblick: Strafrechtliche Due Diligence im M&A-Deal

Gastbeitrag von Dr. Heiko Ahlbrecht im Deutschen AnwaltSpiegel 07/2015

Niemand weiß, in wie vielen Targets strafrechtliche Vergangenheitsrisiken schlummern oder im Laufe einer M&A-Transaktion tatsächlich offenbar werden. Klar ist aber: Selbst die umfassendsten Haftungsfreistellungsklauseln können nicht verhindern, dass nach einem Unternehmenserwerb die Staatsanwaltschaft erscheint und das Unternehmen plötzlich in einem ganz anderen Licht erscheint.

Die Auslöser können vielfältiger Natur sein: Steuerhinterziehungsvorwürfe wegen unrichtigen Betriebsausgabenabzugs, vielleicht sogar garniert mit Abdeckrechnungen zur Finanzierung von Bestechungszahlungen im Ausland. Oder Subventionsbetrugsvorwürfe, die objektiv schnell realisiert sein können, weil das Subventionsrecht sehr formalisiert ist und oft vernachlässigte Melde- und Nachweispflichten an den Subventionsgeber festlegt. Die Reihe lässt sich beliebig fortsetzen von pflichtwidrigen Gesellschafterausschüttungen über sonstige untreuerelevante Sachverhalte bis hin zu Kartellabsprachen, die in jüngster Zeit zunehmend eine Rolle spielen.

Exkulpation durch Prüfung

Gerade für größere Investoren sind der gute Ruf und die Vorgaben der Compliancekultur zentrale Leitmotive ihres unternehmerischen Handelns. Aus diesem Grund gehen potentielle Erwerber und ihre Berater zunehmend dazu über, die im Vorfeld gegebenen (Datenraum-)Informationen zu plausibilisieren. Sie bedienen sich dazu einer strafrechtlichen Due Diligence in besonders anfälligen Bereichen oder lassen potentiell strafrechtlich relevante Umfeldinformationen wie etwa medienbekannte strafrechtliche Ermittlungen gegen das Target oder dessen Gesellschafter eingehend prüfen. Es kommt auch vor, dass unbedachte Äußerungen der Geschäftsführung des Targets Anlass zu strafrechtlichen Prüfungen geben.

Letztlich gewährleistet allein die umfassende Überprüfung des Zielunternehmens für das Management des Erwerbsunternehmens eine pflichtgemäße Erwerbsentscheidung nach der Business-Judgement-Rule des § 93 StGB, die über die Frage nach einer möglichen Pflichtverletzung in die Strafnorm der Untreue gemäß § 266 StGB hineinragen kann.

M&A-Deal „gone bad“

Letztlich geht es immer um die Belastbarkeit der für den Erwerb relevanten Informationen. Fehlinformationen und Täuschungen während aller Phasen des Unternehmenskaufs durch das Zielunternehmen können eine Betrugsstrafbarkeit nach § 263 StGB begründen. Als potentielle geschäftswesentliche Information kann es bei einem Unternehmenskauf beispielsweise auf folgende Kerninformationen ankommen:

  • Richtigkeit der Jahresbilanzen,
  • Wert der Vermögensgegenstände der Zielgesellschaft,
  • Jahresumsätze,
  • Schulden,
  • strafbare Handlungen, die zur Anwendung der Verfallsvorschriften führen können,
  • Schadenersatzprozesse und drohende/laufende (zivil-)rechtliche Streitigkeiten sowie
  • aufsichtsbehördliche Verfahren.


In einem besonders prägnanten Fall hat das Oberlandesgericht Hamburg im Jahr 2004 die Verurteilung eines GmbH-Geschäftsführers wegen Betrugs bestätigt. Der Mann hatte das Erwerberunternehmen über den Jahresumsatz getäuscht, der Grundlage des Kaufpreises war: Als Kaufpreis war das Zehnfache des Jahresumsatzes vereinbart, der sich entgegen den Angaben des Verkäufers nicht auf 70 Millionen Euro, sondern nur auf 60 Millionen Euro belief. Der Gesamtkaufpreis von 700 Millionen Euro war damit in Höhe der Differenz von 100 Millionen Euro betrügerisch erlangt.

Jede bewusste Falschangabe wertrelevanter Faktoren im Rahmen einer Due Diligence, die Einfluss auf den Kaufpreisentschluss hat, ist – strafrechtlich beurteilt – Betrug durch den Verkäufer. Der damit in aller Regel angerichtete Schaden führt zu Schadenersatzprozessen, die bei Schwierigkeiten in der Durchsetzung insbesondere zur Beweismittelgewinnung mit aktiv begleiteten Strafanzeigen unterlegt werden.

Erworbene Probleme

Die strafrechtlichen Probleme enden nicht mit dem Closing. Schon aus zivilrechtlichen Haftungsgründen ist der vertraglich vereinbarte Soll-Zustand mit dem Ist-Zustand abzugleichen. Ein Unterlassen dieser obligatorischen Überprüfung kann wiederum eine pflichtwidrige Entscheidung sein und damit einen Untreuevorwurf befördern. Darüber hinaus erwirbt der Käufer zumindest die Konsequenzen aus strafbaren Handlungen, die vor dem Kauf erfolgten. Bei strafrechtlich relevanten Dauerzuständen kann eine fehlende Aufdeckung im Wege strafrechtlicher Organisationshaftung auch zur Strafbarkeit des Erwerbers führen. Zwei Prüfungsfelder seien exemplarisch beleuchtet:
Tax Due Diligence: Die Überprüfung des Ist-Zustands des erworbenen Unternehmens muss geschehen, weil sich nur so verhindern lässt, dass mit möglicherweise falschem Zahlenmaterial aus Handels- oder Steuerbilan­zen des erworbenen Unternehmens gearbeitet wird. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Erwerbergesellschaft Rechnungslegungsdelikte begeht. Die unrichtige Darstellung im Jahresabschluss wie auch die unrichtige Wiedergabe von Konzernverhältnissen insbesondere im Konzernlagebericht stellen § 331 HGB oder § 400 AktG unter Strafe. Gleiches gilt für unrichtige steuerrechtliche Angaben des erworbenen Unternehmens, die in die Steuererklärung des Erwerberunternehmens übernommen werden und bei der ersten Steuererklärung nach Unternehmenserwerb falsches Zahlenmaterial enthalten. Hier würde der Straftatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 AO verwirklicht.
Produkthaftung: Mit dem Erwerb eines Produktionsunternehmens, gleich welcher Branche, tritt die neue Unternehmensleitung automatisch in die Verantwortung für die vertriebenen Produkte und damit in die zivil- und strafrechtliche Haftung für Produkthaftungsfälle auch der Vergangenheit ein. Hier ist eine umfassende Prüfung aller Gefährdungspotentiale unmittelbar nach Übernahme notwendig, um einen Überblick zu erlangen und erkannte Gefahrenquellen zu minimieren. Hierzu gehört insbesondere auch die Prüfung oder Installation eines Risikomanagements.

Strafbarkeitsrisiken für Berater

Die Berater der Transaktion stehen nicht selten im Mittelpunkt des Geschehens: Sie prüfen und bewerten das für die Kaufentscheidung zur Verfügung gestellte Informationsmaterial eingehend und bereiten so die Entscheidung des potentiellen Erwerbers vor. Das M&A-Geschäft ist ein erfolgsorientiertes Geschäft mit erfolgsorientierten Akteuren nicht zuletzt im Beraterbereich. Die Neigung, tatsächlich einen Erfolg (sprich Abschluss des Geschäfts) vorweisen zu können, macht es manchmal schwer, Informationen pflichtgemäß zu offenbaren, die den Erfolg aufs Spiel setzen könnten. Zur Annahme einer strafbaren Beihilfe braucht es jedoch nicht besonders viel: Kenntnis von der Haupttat und deren objektive Förderung genügen. Der Wille dazu ist noch nicht einmal erforderlich. Auch das stillschweigende Übergehen einer Problemzone des Auftraggebers in einer Situation, in der volle Aufklärung erwartet werden kann, kann zur Strafbarkeit führen.

Fazit

Sobald im Rahmen einer Due Diligence Anhaltspunkte für problematische Sachverhalte auftreten, müssen diese strafrechtlich geprüft werden. Nur so kann eigene Strafbarkeit oder auch der Streit um Schadenersatzansprüche vermieden werden.