Risiko Untreue: So schnell droht die Haftung

Was der Fall Middelhoff zeigt

Gastbeitrag von Dr. Eren Basar, Markt und Mittelstand online, 16.12.2014

Rund 500.000 Euro hat Thomas Middelhoff veruntreut. Der Fall könnte durchaus Signalwirkung haben: Die Veruntreuung von Firmengeldern durch Manager und Geschäftsführer wird durch die Gerichte zunehmend scharf geahndet.

Nach Überzeugung der Strafrichter am Landgericht Essen hat Thomas Middelhoff in 27 Fällen seine Pflicht zur Betreuung des Vermögens des bereits angeschlagenen Arcandor Konzerns verletzt. Besonders augenfällig waren dabei ein Charterflug nach New York für 90.000 Euro und eine Festschrift, die Arcandor 180.000 Euro kostete.

Auf die Höhe des Schadens oder gar die öffentliche Relevanz einer vermeintlichen Straftat kommt es beim Untreuevorwurf dem Grunde nach allerdings nicht an. Auch gegen Geschäftsführer oder leitende Führungskräfte, die nicht im Lichte der Öffentlichkeit stehen, wird immer häufiger ermittelt, wenn der Verdacht im Raum steht, sie hätten das Betriebsvermögen geschädigt.

Was darf der Manager alleine entscheiden?

Wegen Untreue macht sich strafbar, wer per Gesetz oder Vertrag die Aufgabe hat, fremdes Vermögen zu betreuen, und dabei entweder seine Verfügungsbefugnis über das fremde Vermögen missbraucht (sog. Missbrauchstatbestand) oder seine Pflicht verletzt, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen (sog. Treuebruchtatbestand). In beiden Fällen muss dem eigentlich Berechtigten – oftmals dem Unternehmen – ein Nachteil entstehen. Ausdrücklich keine Voraussetzung für die Untreue ist, dass sich der Täter auch persönlich bereichern wollte.

Die so genannte Treuebruchsvariante ist für Manager in der Praxis besonders trickreich. Denn danach kann jede wirtschaftliche Entscheidung, die daneben geht und einen Schaden verursacht, im Zweifel als Untreue gewertet werden. Es kommt allein darauf an, ob der Manager pflichtgemäß oder pflichtwidrig gehandelt hat. Die Frage ist damit stets: Was darf der Manager oder Geschäftsführer im Rahmen seiner Geschäftsführungsbefugnis alleine entscheiden, was nicht?

Grenzen zwischen Beruf und Privat

Jeder Unternehmer weiß, dass im Betriebsalltag die Grenzen zwischen geschäftlich und privat manchmal verwischen. Nicht selten werden in einem langen Berufsleben Freunde zu Geschäftspartnern und Geschäftspartner zu Freunden.

Wird beispielsweise der Dienstwagen, der eigentlich nur für Geschäftsfahrten zu nutzen ist, dann für ein gemeinsames Wochenende genutzt und der Hotelaufenthalt über das Unternehmen abgerechnet, ist die Grenze zum Strafrecht vielleicht schon überschritten. Jedenfalls wird ein Manager sehr gut dokumentieren müssen, welchem Zweck das Treffen diente, wer daran teilnahm und ob dies noch angemessen war.

Gerät das Unternehmen (später) in die Schieflage, dauert es meist nicht lange, bis nach persönlicher Verantwortung geforscht und das Verhalten der Entscheider unter allen Aspekten genau unter die Lupe genommen wird.

Schutz durch Compliance

Ein kleiner Trost mag sein, dass die Gerichte letztlich doch genau darauf achten, ob sich der Beschuldigte privat bereichern wollte oder nicht. Tat er es nicht, wird dies als Indiz dafür herangezogen, dass der Beschuldigte seinen wirtschaftlichen Spielraum nicht vorsätzlich überdehnt hat.

Weil sich dies nicht in jedem Fall zweifelsfrei feststellen lässt, bietet praktisch nur ein funktionierendes Compliance-System ausreichenden Schutz. Danach lässt sich vor einer nicht eindeutig zuzuordnenden Ausgabe prüfen, ob sie tatsächlich dienstlich veranlasst ist.

Kommt es dennoch zum Untreuevorwurf, lässt sich die Compliance als Beleg dafür heranziehen, dass Unternehmen und Geschäftsführung sich jedenfalls gesetzestreu verhalten wollen. Im besten Fall kann also eine gute Compliance verhindern, dass strafrechtlich relevante Fehlentscheidungen getroffen werden. Im schlechtesten Fall kann sie zumindest den Vorwurf einer vorsätzlichen Untreue entkräften.

Info

Gegen wen in jüngster Zeit wegen Untreue ermittelt wurde


Der Fall Middelhoff war medial vielleicht der spektakulärste, aber nicht der einzige Fall, in dem 2014 gegen prominente Manager ermittelt wurde: Wegen Untreue mussten sich auch fünf Vorstände der HSH Nordbank vor Gericht verantworten, weil sie ein vermeintlich unzulässiges Risikogeschäft genehmigt hatten. Sie wurden freigesprochen, da ihnen kein Vorsatz nachzuweisen war.

Keinen Vorsatz sah auch die Staatsanwaltschaft Stuttgart im Fall Stefan Mappus. Das Verfahren gegen den früheren Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg wegen des Untreueverdachts im Rahmen der Übernahme der EnBW wurde ebenfalls eingestellt.

Dagegen sprach das Landgericht Koblenz den ehemaligen rheinland-pfälzischen Finanzminister Ingolf Deubel in 14 Fällen der Untreue im Zusammenhang mit dem Großprojekt „Nürburgring 2009“ schuldig und verurteilte zu dreieinhalb Jahren Freiheitsstrafe.